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11.11.2022

Die Erneuerung des Terroir-Gedankens

Historische Terroirs und heimische Rebsorten der südlichen Halbinsel bieten viel Bio und viel Potenzial

Oft wird die südliche Hälfte des Landes weinbaulich unterschätzt, da einige der Anbaugebiete jenseits des iberischen Scheidegebirges weniger klingende Namen tragen als die renommierten Appellationen des Nordens. Betrachtet man indes den Landessüden von seiner historisch-weinbaulichen Seite, kommt man nicht umhin festzustellen, welche großartige Weinbautraditionen dort beheimatet sind.

Allein Kastilien-La Mancha hat trotz seines Rufes für einfachere Weine eine Fülle an versteckten Terroirs mit alten Weinbergen zu bieten. Méntrida im Norden der Region oder die unter anderem als Hochburgen für Garnacha Tintorera bekannten Appellationen Almansa und Manchuela zeigen die Vielfalt wenig bekannter Terroirs der Region. Ähnliches gilt in reduzierter Form auch für die Extremadura. Für viel Aufmerksamkeit sorgen natürlich die Strategien einiger andalusischer Weinmacher, vornehmlich aus Jerez und Sanlúcar de Barrameda, ihre Terroir-Schätze besser zu nutzen. Aber auch Montilla-Moriles und das Hochland von Málaga mit seinen legendären Axarquía-Steillagen rücken Stück für Stück zurück ins Rampenlicht. Und auf keinen Fall unterschätzen sollte man den als Levante bekannten mediterranen Osten des Landes, insbesondere die Achse Valencia-Alicante-Jumilla und Yecla mit ihren vielen im Trockenanbau gehaltenen Weinbergperlen.

Viel bio und viel Potenzial –

die unbekannten Stars der südlichen Hochebene

Neukastilien, besser geläufig als Kastilien-La Mancha, hält bekanntermaßen fast die Hälfte der spanischen Anbaufläche in der Produktion. Meist denkt man an ausgedehnte Ebenen und Reben, soweit das Auge reicht. Dies trifft sicherlich auf das gesamte Zentrum der Region zu. An den Rändern hingegen präsentiert sich die Topgraphie bergiger, und Wein wächst bis in große Höhen. Ein gutes Beispiel ist die kleine Appellation Méntrida, von Kennern der spanischen Weinszene zu Gredos zugerechnet, sprich den hochgelegenen Garnacha-Anbaugebieten des Zentralgebirges. Galionsfigur des Neubeginns, der sich für Méntrida Ende der neunziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts langsam abzeichnete, ist natürlich Dani Landi mit seinen Hochland-Crus Piélago und Ataulfos. Er begründete nicht nur den Trend, alte Weinberge beziehungsweise Parzellen wiederzubeleben oder neu zu interpretieren. Auch das Weinmachen im Zentralgebirge mit nicht entrapptem Lesegut, die Durchführung erstaunlich langer Maischestandzeiten sowie der Einsatz gebrauchter Holzgebinde oder gar der komplette Verzicht auf Ausbau in Eiche geht im Grunde auf ihn zurück. Zweifellos hat der Toledano Dutzende von jungen Weinmacherinnen und Weinmachern beeinflusst, die seine Ideen nicht nur in Gredos, sondern an vielen anderen Standorten in Spanien mit alten Weinbergen umsetzen. Fairerweise muss natürlich auch der zweite Pionier des Gebietes genannt werden, der unter dem Namen Canopy ebenfalls richtungsweisend war. Allein der Name des Spitzenweines La Viña Escondida, der versteckte Weinberg, sagt schon alles über die Philosophie der beiden Freunde und Bodega-Gründer Alfonso und Belarmino. Immer auf der Suche nach versteckten, alten Parzellen am Südrand des Scheidegebirges, entwickelten die beiden ein kleines Portfolio an Parzellenweinen, denen sie je nach Bodentyp und Weinbergausrichtung gänzlich unterschiedliche Ausbauprozeduren angedeihen lassen. Canopy muss ebenso wie das Dani-Landi-Pojekt zu den Pionieren der spanischen Terroir-Postmoderne gezählt werden. 

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Bodegas Canopy zählen zu den Pionieren der spanischen Terroir-Postmoderne: immer auf der Suche nach versteckten, alten Parzellen am Südrand des Scheidegebirges. 

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In der kleinen Appellation Méntrida ist die Topographie bergiger und Wein wächst bis in große Höhen. Kenner rechnen die DOP Gredos zu, also den hochgelegenen Anbaugebieten des Zentralgebirges.

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Die Gründer von Bodegas Canopy, Alfonso und Belarmino, entwickelten ein kleines Portfolio an Parzellenweinen. Je nach Bodentyp und Weinbergausrichtung lassen sie ihnen gänzlich unterschiedliche Ausbauprozeduren angedeihen.


Kommt die Rede auf den Norden der Provinz Toledo, muss selbstredend auch Maite Sanchez von Bodegas Arrayan in Santa Cruz del Retamar erwähnt werden. Die junge Weinmacherin hat ihre eigenen Schlüsse aus den Ergebnissen der Pioniere gezogen und ihre Weine aus den Bergen von Gredos etwas offener konzipiert. Sie baut auf Balance und Frucht und etwas mehr Reife, um den speziellen Charakter der Hochland-Garnachas möglichst ausdrucksvoll ins Glas zu bekommen. Weichheit und Saftigkeit stehen im Vordergrund. Maite Sanchez verkörpert die neue Generation an terroirbewussten Weinmacherinnen aus Kastilien-La Mancha, auch wenn ihre Top-Gredos-Garnachas auf Basis von Lesegut nicht nur aus Real de San Vicente in Toledo, sondern auch aus Miniplots um Cebreros im altkastilischen Ávila entstehen.

 

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Bodegas Arrayan, im Norden der Provinz Toledo. Die Top-Garnachas entstehen auf Basis von Lesegut nicht nur aus Real de San Vicente, sondern auch aus Miniplots um Cebreros im altkastilischen Ávila entstehen. 

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Maite Sanchez von Arrayan verkörpert die neue Generation an terroirbewussten Weinmacherinnen aus Kastilien-La Mancha.

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Bei Bodegas Arrayan, in den Bergen von Gredos, entstehen Weine, die offener konzipiert: Man baut auf Balance und Frucht und etwas mehr Reife, um den speziellen Charakter der Hochland-Garnachas zu betonen

 

Einzelprojekte in Kastilien-La Mancha

Erstaunlicherweise ist das „neue Spanien“, wie die Welle an kleinen neuen Terroir-Kreationen abseits des Mainstreams auch genannt wird, im spanischen Zentralgebiet noch nicht so präsent. Um die versteckten Weinperlen aus wiederbelebten Sorten oder alten Weinbergen zu finden, lohnt es sich durchaus auch ein Auge auf die arrivierten Betriebe zu werfen. Ein Beispiel ist das Más Que Vinos-Projekt der drei Weinkünstler Margarita Madrigal, Alexandra Schmedes und Gonzalo Rodríguez. Nach ihrem Erfolg mit hochwertigen Tempranillos aus Toledo haben die drei damit begonnen einige Spezialitäten zu kreieren, die aus alten Parzellen der nördlichen Hälfte Neukastiliens stammen. Bemerkenswerterweise beschäftigen sich die drei Önologen dabei mit weißen Trauben, die ja bekanntermaßen das Rückgrat des Weinsektors der südlichen Hochebene bilden. Mutig lässt das Team auch die eher schlecht beleumdete Airén aus sehr alten Parzellen zu Wort kommen, die im Cuvée mit der herzhaften Malvar-Traube im Debütjahrgang 2020 des Blancos Los Conejos Malditos durchaus eine gute Figur macht. Ein kleines Kunstwerk ist außerdem das exklusiv der Malvar-Traube gewidmete Gewächs El Malvar de Más Que Vinos. Die Trauben dieser auf Madrid und Toledo beschränkten würzig-deftigen Sorte stammen aus ökologisch bewirtschafteten, über 50-jährigen Einzelstock-Weinbergen und werden in der Tonamphore sowie in 500-Liter-Eichengebinden spontan vergoren und bis zum Frühjahr auf der Hefe gehalten. Intensiv, kraftvoll und mit einem unbändigen Durchsetzungsvermögen am Gaumen gesegnet, stellt dieser Wein eine echte Bereicherung für die neukastilische Weißweinszene dar. 

Steht der Begriff La Mancha im Raume, ist meist nicht nur die gleichnamige DOP gemeint, sondern das Zentrum der südlichen Hochebene und damit die beiden Kernprovinzen Cuenca und Ciudad Real, letztere sicherlich die Verwaltungseinheit Europas mit dem größten biologisch bewirtschafteten Rebbestand überhaupt. Die Provinz Cuenca ist dagegen nicht ganz so bekannt, obwohl sie große Verarbeitungszentren aufweist wie die Weinstadt Tarancón. Darüber hinaus wird aber meist vergessen, dass es noch ein anderes Cuenca gibt, mit bewaldeten Sierras, wildromantischen Felslandschaften sowie Rebland auf großer Höhe. Dort stößt man immer wieder auf engagierte Betriebe mit biologisch- oder gar biodynamisch kultivierten Parzellen. Ein gutes Beispiel ist die Compañía de Vinos Pablo Parra. Der Erzeuger keltert in Las Mesas seine kommerzielleren Qualitäten, verfügt aber über einen kleinen Weinberg auf über 1.000 Meter Höhe bei Socuellamos. Die Parzelle ist Demeter-zertifiziert und wurde vor etwa 30 Jahren aufgrund ihres großen Potenzials mit Verdejo bestockt. Das Ergebnis ist Troyano Orange, ein echter Exot in der Amphore gemaischt und anschließend in einem Fuder zu Ende vergoren. Das von Pablo Parra gekelterte Ergebnis mit knapp unter 11% Vol. ist einer der interessantesten Verdejos des Landes außerhalb seiner altkastilischen Heimat Rueda.

Die Wiege des spanischen Weinbaus –

historische Lagen in Levante und Andalusien 

Etwas weiter südlich lohnt ein Blick auf die DOP Alicante. Das Anbaugebiet ist seit jeher bekannt für seine Moscatel-Weine. In der Vergangenheit standen vor allem die mit Alkohol verstärkten Weine im Vordergrund, später abgelöst von jungen und fruchtbetonten Gewächsen, die im restsüßen wie im trockenen Bereich schnell auf eine große Akzeptanz stießen. Dass mit diesen durchaus populären Moscatel-Weinen noch lange nicht das Ende der Fahnenstange in Alicante erreicht war, beweist vor allem ein Weinmacher, der einer einflussreichen Winzerfamilie entstammt. Die Rede ist von Pepe Mendoza, der schon vor 15 Jahren mit eigenen Kreationen großes Lob einheimste, die er aber sozusagen im Schoße seiner Familie, den Bodegas Enrique Mendoza entwickelte und vermarktete. Insbesondere seine beiden Lagen-Monastrells Estrecho und Las Quebradas am Fuße des mittelalterlichen Städtchens Villena warfen ein völlig neues Licht auf die alten Weinberge im Landesinneren der Provinz. Pepe bediente sich zwar nicht gänzlich vergessener Lagen, sondern selektionierte die besten alten Pflanzungen aus dem Familienbestand und arbeitete ihren besonderen Charakter heraus. Mit der Idee, dem kommerziellen Weinmachen zu entfliehen, machte er sich schließlich mit seiner Frau vor einem Jahrzehnt selbstständig und revitalisierte ein historisches Gut, welches unter dem Namen Casa Agrícola im Bereich Marina Alta schnell Furore gemacht hat. 

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Zeugnis eines der kreativsten Portfolios der spanischen Levante: El Veneno von Pepe Mendoza. Ein mit ganzen Trauben vergorener Monastrell. 

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Pepe Mendoza bewies schon vor 15 Jahren mit eigenen Kreationen das große Potenzial in Alicante. Für seine beiden Lagen-Monastrells selektionierte er die besten alten Pflanzungen aus dem Familienbestand und arbeitete ihren besonderen Charakter heraus. 

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Links: Machte im Bereich Alta Marina Furore: die Casa Agrícola. Mit der Idee, kommerziellem Weinmachen zu entfliehen, machte sich Pepe Mendoza mit seiner Frau vor einem Jahrzehnt selbstständig und revitalisierte dieses historisches Gut.

Rechts: Auf der Finca Abargues bei Llíber kultiviert Pepe Mendoza zwölf Hektar Reben, komplett biologisch. Die Reben stehen unweit von der Küste, ein kleiner Gebirgszug schützt vor hoher Luftfeuchtigkeit. Sedimentböden sind Basis für das Potenzial dieses speziellen Ortes. 


Auf der Finca Abargues bei Llíber kultiviert er zwölf Hektar Reben, die das Material für eines der wohl kreativsten Portfolios der spanischen Levante liefern. Der Weinmacher arbeitet komplett biologisch. Für ihn sei naturnaher Anbau eine Selbstverständlichkeit, nicht die Ausnahme, wie er stets seinen Besuchern versichert. Obwohl die Reben nicht weit von der Küste stehen, erfahren sie doch durch einen kleinen Küstengebirgszug einen gewissen Schutz vor zu hoher Luftfeuchtigkeit und profitieren so von einem außergewöhnlichen Mikroklima. Sedimentböden aus der Zeit, bevor sich die iberische Halbinsel vor Jahrmillionen anhob, bilden die Basis für das Potenzial dieses speziellen Ortes. Der in der Amphore ausgebaute trockene Moscatel oder ein mit ganzen Trauben vergorener Monastrell, den er El Veneno – zu Deutsch ‚das Gift‘ – nennt, sind das Ergebnis seiner langen Erfahrung mit den bekannten heimischen Sorten. Der Weinmacher, der sich selbst als Artesano, also als Handwerker sieht, bietet aber auch so unbekannten Sorten wie der roten Giró eine Bühne. Sein Giró de Abarques wird gewonnen aus einer alten in mehreren Phasen zwischen 1921 und 1962 bestockten Lage, deren Lesegut in der Vergangenheit in gesichtslosen Blends verarbeitet wurde. Nun ist der Wein ein perfektes Beispiel für die Feinheit und Eleganz, die auch in warmen Gebieten erreicht werden kann, wenn die Vision und der Platz stimmen. 


Monastrell und andere Spezialitäten

Es ist sicherlich keine Überraschung, dass die Region Valencia aber auch das angrenzende Murcia zum Betätigungsfeld vieler engagierter Weinmacher der letzten Generation geworden sind. Alteingesessene Betriebe sind in vielen Fällen nicht weniger motiviert, Neues aus alten Pflanzungen zu entwickeln, als die emsigen Erneuerer, deren Tätigkeit und Schöpfungskraft meist nicht nur auf ein Weingebiet beschränkt bleibt. Wie sich renommierte Weinmacher mit neuen Weinen wieder ins Spiel bringen, zeigt Altmeister José María Vicente von Casa Castillo bei Jumilla auf glänzende Art und Weise. Spaniens Monastrell-Weinmacher schlechthin tat sich vor einigen Jahren mit den Weinmachern von Envinate zusammen, die sicherlich zu den aktivsten Weinbergsaufbereitern Spanien zählen, um einen verlassenen Weinberge im El Viso-Tal in der Appellation Jumilla zu reaktivieren. Die 2,3-Hektar-Parzelle, von der man annimmt, dass sie vor 70 bis 80 Jahren für die Bearbeitung mit dem Esel in großzügigen Einzelstockzeilen angelegt wurde, steht auf feinkörnigem Kalksand, den man im Gebiet ‚micrita‘ nennt. Folglich entschied man sich für den Namen Casa Castillo Micrit und vergor diesen betont feinen Levante-Tinto offen auf den Rappen und verschrieb anschließend einen Ausbau im 500er-Fässern. Zu den etwa 85 Prozent Monastrell-Trauben gesellen sich zudem 15 Prozent weitere heimische Sorten, die das straffe Tannin der Monastrell perfekt abfedern. 

Ganz anders geht der Winzer Javi Revert das Thema historische Terroirs an. Der Weinmacher aus dem Aforins-Tal gehört zu den wichtigen Erneuerern des valencianischen Qualitätsweinbaus und ist mit dem Projekt, das seinen Namen trägt, bekannt geworden. Im Vordergrund steht für ihn stets der perfekte Platz und nicht allein das Alter vorhandener Reben. So hat er konsequenterweise einen Weinberg wiederbestockt, den sein Großvater vor über 50 Jahren aufgegeben hatte. Die Situation mit alten Terrassen auf extrem kalkigen Böden, kam seinem Ideal eines perfekten Terroirs am nächsten, und so entschloss er sich, den alten Weinbergplatz in klassischer Einzelstockerziehung mit Arcos und Garnacha Tinta wiederzubeleben. Im kommenden Jahr wird der auf den Rappen in offenen Betontanks vergorene 21er-Debütjahrgang aus diesem historischen Terruño unter der Marke Forcadà Javi Revert Viticultor freigestellt werden. 

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Für den Weinmacher Javi Revert zählt der perfekte Platz und nicht allein das Alter vorhandener Reben.

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Javi Revert hat einen Weinberg wiederbestockt, den sein Großvater vor über 50 Jahren aufgegeben hatte. Die Situation mit alten Terrassen auf extrem kalkigen Böden, kam seinem Ideal eines perfekten Terroirs am nächsten. 

 

Jerez und Sanlúcar de Barrameda – die älteste Lagenkultur Europas?

Cádiz blickt mit Stolz auf eines der ältesten und berühmtesten Weinbaugebiete der Welt, das sich mit seinen rund 6.500 Hektar um die drei Sherry-Städte Jerez de la Frontera, El Puerto de Santa María und Sanlúcar de Barrameda gruppiert. Nach Jahren des Wachstums und anschließender Krise ist die alte Doppel-Appellation wieder zu dem zurückgekehrt, was sie einst war: ein kleines und feines Anbaugebiet für die Produktion von edlen Weinen. Wie lange schon Wein im Süden der Provinz angebaut wird, ist eine Frage, die von Historikern immer noch diskutiert wird und sich im Dunkel der Geschichte verliert. Bewiesen sind weinbauliche Aktivitäten der Phönizier, und dass die Römer in ihrer südiberischen Provinz Bética intensiv Weinbau betrieben, liegt auf der Hand. Schon früh müssen die Weinbauern die besondere Eignung des Geländes erkannt haben, die sich maßgeblich auf zwei Faktoren stützt. Einmal die weißen Albariza-Böden, die selbst heute in Zeiten der Klimaerwärmung ohne Bewässerung Trauben hervorbringen, und der besondere Platz, den man grob als Scheitelpunkt zwischen Mittelmeer und Atlantik beschreiben kann. Die Lage zwischen den zwei Meeren ist auf dem 37. Breitengrad in normalen Jahren mit 600 Liter pro Quadratmeter Regen gesegnet, was das Sherry-Dreieck zu einem der erstaunlichsten Orte für Weinbau weltweit macht.


Die Entstehung der Pagos de Jerez

Die Römer gaben ihren Lagen beziehungsweise den Plätzen oder Fluren, wie wir heute sagen würden, Namen, dies ist überliefert. Im Gebiet von Jerez geht man davon aus, dass die mit dem Buchstaben A beginnenden Lagen auf die Römer zurückgehen. Die Christen nahmen nach Ende der arabischen Besatzung den Weinbau wieder mit viel Energie auf, und über die Jahrhunderte entstand ein Lagenbewusstsein, welches sich wie überall in der alten Welt auf die Qualität der Trauben und der damit verbunden Preisfindung stützte, die wiederum für die Steuererhebung von Seiten der Verwaltungen fundamental war. In der Appellation DOP Jerez – Manzanilla de Sanlúcar entwickelten sich die Pagos wie beispielsweise in der Champagne, indem sich die berühmten Crus um einen kleinen Kern ausdehnten, so dass viele Besitzer, ob Bodegas oder einfach nur Winzer, mit der Zeit an diesen speziellen Traubenherkünften, in Spanien ‚Pagos‘ genannt, partizipieren konnten. Jerez hat 111 dieser Pagos registriert, die wiederum in Subpagos und Parzellen aufgeteilt sind. Selbst Spezialisten sind mit dieser großen Zahl oftmals überfordert, daher an dieser Stelle ein Tipp, wenn das Gespräch auf die Pagos de Jerez kommt: ABCM steht für die vier großen historischen Lagen des sogenannten Marcos de Jerez und bedeutet Añina, Balbaina, Carrascal und Marchanudo. Mit dieser einfachen Buchstabenfolge vermittelt man als Gesprächspartner gleichermaßen Kompetenz und Wissen.

Mit der Qualitätsrevolution im Marco erleben nun auch die Pagos eine beeindruckende Renaissance und rücken immer stärker in den Vordergrund. Über zwei Dutzend Weine tragen inzwischen den Namen ihres Pagos auf dem Etikett. Doch Vorsicht: Noch ist es den Erzeugern untersagt, den Terminus Pago zu nutzen, allein die Nennung des Namens wie beispielsweise Marchanudo ist bislang erlaubt. Doch das zuständige spanische Ministerium sieht bis Ende des Jahres in diesem Punkt eine entsprechende Änderung des nationalen Weingesetztes vor, die dann die komplette Bezeichnung Pago de Marchanudo zulassen wird. Wo liegt das Problem? Bis dato ist ein spanischer Produzent bei Nutzung des Begriffs Pago verpflichtet, den Wein auch in oder am Rande der Lage zu keltern und auszubauen. Jerez wird zudem wiederentdeckte alte Sorten zulassen, den Terminus Fino Viejo für mindestens sieben Jahre alte Weine einführen und die Zona de Crianza, sprich den gesamten Produktionsprozess, auf die zehn Gemeinden des Marco de Jerez ausdehnen und damit das „Monopol“ der drei berühmten Sherry-Städte sprengen. Eines der ältesten Weingebiete der Welt mischt seine Karten neu und zeigt stellvertretend für viele nicht so prominente Traditionsanbaugebiete Spaniens, wie unheimlich dynamisch die Erneuerung des spanischen Weinbaus in Angriff genommen wird.

 



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