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04.11.2019

Terroir-Indikationen nehmen Fahrt auf

Vier spanische Spitzengebiete und ihre neuen Kategorien

Parar es morir oder zu Deutsch: Stillstand bedeutet das Ende. Diesen alten kastilischen Spruch scheinen sich einige spanische Anbaugebiete zu Herzen genommen zu haben, um, mehr oder weniger angekündigt, die Fachwelt mit einer neuen Klassifizierung ihrer Weine zu überraschen. Das Thema, das eine ganze Reihe von Appellationen schon seit Jahren beschäftigt, sind Terroir-Bezeichnungen. Vier Anbaugebiete schmücken sich nun mit einem Gesetzesrahmen, darunter die zwei einzigen „Superappellationen“ des Landes. Die Rede ist von Rioja sowie Priorat, welche als einzige Herkunftsgebiete des Landes einen DOCa- beziehungsweise DOQ-Status vorweisen können.

Cava macht den Anfang

Die erste Appellation, die mit einem solchen Vorstoß Fakten schuf, war jedoch das Cava-Gebiet. In gewisser Weise gebührt dieser ersten Terroir-Regelung besondere Achtung, da sich die DO geografisch gesehen in einer gesonderten Situation befindet. Denn neben den katalanischen DO-Flächen ermöglicht die Weinbaubehörde die Produktion von Qualitätsschaumweinen unter dem Gütesiegel Cava auch verschiedenen Gemeinden in anderen Regionen. In Zusammenarbeit mit dem Cava-Institut und der Regionalregierung in Barcelona schuf der zuständige Kontrollrat das Modell einer Einzellage, die nur von einem Erzeuger genutzt werden kann und damit nicht teilbar ist. Cava de Paraje Calificado nennt sich die Indikation, mit der die zuständigen Behörden den Cavistas die Möglichkeit eröffnen, ihr Terroir besser darzustellen. Die Paraje-Gesetzgebung ermöglicht es aber dem jeweiligen Haus auch, mehrere klassifizierte Gewächse aus ein und derselben Lage zu bereiten, solange die Vorgaben eingehalten werden. Das Mindestalter der Reben ebenso wie Erträge und natürlich das Hefelager sind genau festgelegt.

Insbesondere der letzte Punkt ist von Relevanz, erweitert er doch die Dauer der zweiten Gärung auf 36 Monate und übertrifft damit das Mindestlager für Cava Gran Reserva um ein halbes Jahr. In der Praxis bauen mehrere der sechs Paraje-Erzeuger auch Gewächse mit deutlich ausgedehnterem Hefelager aus. Irrtümlicherweise gingen viele Fachleute zunächst davon aus, dass ursprünglich gebietsfremde Sorten keine Aufnahme in das Paraje-Regelwerk finden würden. Der Kontrollrat entschied sich schließlich dagegen, vor allem wohl aufgrund der hohen Qualität, die von zahlreichen Erzeugern mit der hervorragend angepassten Chardonnay erzielt werden. Chardonnay und Pinot Noir können also in die Cuvées der Parajes durchaus einfließen. Viel Beifall fand indes die Tatsache, dass über die Brut-Werte hinaus keine höheren Dosagen Zulassung fanden. Auf Anfrage hin informierte die Cava-Weinbaubehörde, dass mehrere Betriebe auf eine Zulassung ihrer Anträge für neue Parajes warten. Weitere Informationen unter: www.docava.es

Gut Ding will Weile haben – die Rioja und ihre Indikationen nach internationalem Vorbild

Ausgiebig kommentiert wurde in der Fachpresse, schon viele Monate vor ihrer endgültigen Ratifizierung, die Tragweite des neuen Gesetzespakets der DOCa Rioja. Den meisten Gesprächsstoff lieferte natürlich die lange erwartete Viñedo-Singular-Regelung, obwohl die Neuerungen insgesamt weiter greifen. Denn inzwischen können die über das gesamte Appellationsgebiet verteilten rund 600 Erzeuger nach internationalem Vorbild nicht nur den Bereich (jetzt zona, früher subzona) sowie die Gemeinde (municipio) auf dem Etikett vermerken, sondern auch noch die Anerkennung einer genau in ihren physischen Grenzen definierten Lage beantragen. Diese letztgenannte Kategorie mit ihren präzise definierten Rahmenbedingungen berücksichtigt nun unter der Bezeichnung „Viñedo Singular“ die enorme Terroir-Vielfalt der 65.000 Hektar großen DOCa am oberen Ebro.

Dennoch sollte an dieser Stelle zwischen echten Neuheiten und überarbeiteten Richtlinien unterschieden werden. Denn einige Aspekte sind nicht gänzlich neu. Man hat der Weinbaubehörde in Logroño immer vorgeworfen, nicht offen für Terroir-Gedanken zu sein, oder sich zumindest nicht willens zu zeigen, den Erzeugern die Möglichkeiten zu bieten, konkrete Angaben zu Standort oder Produktionszone zu machen. Tatsächlich können die Kellereien oder selbstabfüllenden Winzer schon seit Ende der Neunzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts den Bereich und die Gemeinde angeben. Allein bei der Einzellage, dem Viñedo Singular, handelt es sich tatsächlich um eine absolut neue Kategorie. Nichtsdestotrotz sind die Bestimmungen für Bereichs- beziehungsweise Ortsangaben frisch aufpoliert und überholt worden, indem man ihnen einen ganz anderen Stellenwert auf dem Etikett zugestanden hat. Soll heißen, grafisch gesehen können diese Angaben in wesentlich größeren Schriftzügen als vorher und direkt unter der Appellationsbezeichnung Rioja Denominación de Origen Calificada aufgeführt werden. Im Sommer 2019 wurden für die Viñedo-Singular-Bereitung die ersten 84 Lagen- beziehungsweise Parzellen offiziell anerkannt. Diese befinden sich in den Händen von 55 Erzeugern und entsprechen etwa einer Fläche von insgesamt 155 Hektar. Ein Erzeuger kann auf der Basis einer von der Weinbaubehörde registrierten Einzellage sozusagen rückwirkend ab dem Jahrgang 2017 einen Viñedo Singular anmelden. Tritt die Registrierung der Einzellage offiziell in Kraft, ist der Weinberg genauso wenig teilbar wie bei Cava und damit an einen Erzeuger gebunden. Es gilt also: ein Erzeuger, ein Viñedo Singular. Das Potenzial für weitere Anerkennungen ist weiterhin groß, und Kenner der Rioja charakterisieren die Liste der möglichen Kandidaten als entsprechend umfangreich. Die dreifache Anzahl an neuen Lagen-Weinen läge im Bereich des Möglichen, versichern einige Insider. In Frage kommen einzelne Parzellen, Einzellagen oder Konglomerate aus mehreren Rebstücken, die aus ihrer Geschichte heraus stets als Einheit betrachtet wurden. Eine entsprechend genaue Dokumentation zu den Böden und der Abgrenzung der betreffenden Fläche wird verlangt. Zudem muss der Betrieb die Rebeinheit über einen bestimmten Zeitraum schon separat ausgebaut haben. Das Alter der Pflanzung ist genauso geregelt wie die Erträge. Kontroverse Stimmen gab es hinsichtlich der Tatsache, dass die Viñedo-Singular-Indikation komplementär zur traditionellen Klassifizierung über den Ausbau (Crianza, Reserva, Gran Reserva) in Anspruch genommen werden kann. Eine Viñedo Singular Reserva könnte also mehr die Regel als die Ausnahme werden. Noch sind sich viele Kellereien, darunter zahlreiche kleine und mittlere Familienbetriebe, unschlüssig hinsichtlich der Beantragung einer Lagen-Anerkennung. Was machte man beispielsweise, wenn ein alter Weinberg mit Viñedo-Singular-Status durch eine Neupflanzung ersetzt würde? Nach dem heutigen Stand würde er aus der Regelung automatisch herausfallen, kommentierte ein renommierter Lagenspezialist des Nordufers erst kürzlich. Dennoch darf man gespannt sein auf die Weine mit Viñedo-Singular-Indikation, die natürlich ein spezifisches Rückenetikett verordnet bekommen. Mehr Informationen unter: www.riojawine.com

Die Kleinen und Feinen zeigen sich ambitioniert

Ungefähr parallel liefen die Vorbereitungen für die neuen Terroir-Kategorien im Bierzo und Priorat an, wobei das Priorat mit der Bestimmung seiner Ortsweine allen schon Jahre voraus war. Fast unbemerkt hatten beide Gebiete vor fünf Jahren damit begonnen, ihre Kataster zu überarbeiten und Weinberge zu katalogisieren. Durchaus komplex erscheinen die neuen Richtlinien nun, und beide Anbaugebiete traten unvermutet rasch mit einem fertigen Regelwerk vor die Presse. Vielleicht lag es an der überschaubaren Größe der beiden Appellationen, dass die doch sehr arbeitsintensive Klassifizierung relativ schnell bewältigt wurde. Das Priorat ist mit 2.010 Hektar eingetragener Rebfläche in die 19er-Lese gegangen, der Bierzo mit kaum 850 mehr. Auch wenn die eingetragene Fläche beider Gebiete durch die komplizierte Topografie sicherlich schwer zu analysieren und einzuteilen war, fällt in beiden Fällen die schiere Ausdehnung der Gesamtfläche im Vergleich zu Cava oder gar Rioja natürlich sehr begrenzt aus. Das Ergebnis der Klassifizierungen kann sich sehen lassen. Rechnet man den normalen Appellationswein als Basisgewächs mit ein, umfasst die Terroir-Pyramide des Bierzo fünf übereinander gelagerte Stufen. Die erste echte Terroir-Indikation beginnt mit dem Ortswein (Vino de Villa), gefolgt von der Lage (Vino de Paraje), der Einzellage (Vino de Viña Clasificada) und schließlich dem „Großen Gewächs“, im Bierzo Gran Vino de Viña Clasificada genannt. Fast identisch vom Aufbau hat das Priorat gleichgezogen. Dort entspricht die erste Terroir-Kategorie den Ortsweinen (Vi de Vila), einer Kategorie die schon geraume Zeit existiert und die exakt ein Dutzend Gemeinden umfasst. Darüber sind die Paratges, die Vinya Classificada und schließlich die Gran Vinya Classificada, welche momentan nur einen Exponenten, nämlich den berühmten L'Ermita als „Großes Gewächs“ aufweist. Bei der Klassifizierung der Paratges hat die Weinbaubehörde in Gratallops eine beeindruckende Leistung vollbracht. Ganze 459 Lagen sind registriert. Es wurden sogar Luftaufnahmen der amerikanischen Luftaufklärung kurz nach dem Zweiten Weltkrieg herangezogen, um die historische Konfiguration der vielen alten Lagen akkurat beurteilen zu können. Der außergewöhnlichen Kleinteiligkeit der DOQ ist damit auf beeindruckende Weise Rechnung getragen. Inwieweit diese doch sehr komplexen Indikations-Modelle von den Winzern auch angenommen werden, bleibt natürlich abzuwarten. Von der Konsumentenseite her betrachtet wird dies alles zunächst einmal sehr langsam übernommen werden. Auf eine Fülle neuer und höchst individueller Gewächse wird man sich indes in jedem Falle freuen können. Weitere Informationen hierzu unter www.doqpriorat.org sowie www.crdobierzo.es

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